Das norwegische Nobelpreiskomitee hat überraschend in einer Sondersitzung den 2012 an die Europäische Union verliehenen Friedensnobelpreis nachträglich aberkannt. Eine Aberkennung eines Nobelpreises ist ein ungewöhnlicher Vorgang, der aber in besonders schwerwiegenden Fällen möglich ist.
Ausschlaggebend für die Aberkennung war nicht nur die aktuelle Entwicklung in der Flüchtlingspolitik, sondern auch die Tatsache, dass Mitgliedsstaaten mit ihrer Waffenproduktion kriegerische Auseinandersetzungen unterstützt und forciert haben. Wie dieses Faktum damals bei der Vergabe des Nobelpreises übersehen werden konnte, soll ein interner Revisionszirkel nun näher untersuchen.
Flüchtlingspolitik
Die aktuelle Flüchtlingspolitik sei eines Staatenverbundes nicht würdig, heißt es in der Begründung. So werde mit mäßigem Erfolg gegen die Schlepper vorgegangen, womit aber die Ursache dafür, dass Menschen fliegen, nicht beseitigt werde. Einige EU-Mitglieder weigerten sich, Flüchtlinge aufzunehmen, andere machten einfach ihre Grenzen zu (Ungarn) oder setzten vorübergehend das Schengener Abkommen außer Kraft und führten wieder Grenzkontrollen ein (Deutschland). In Ungarn werden Flüchtlinge unter menschenunwürdigen Zuständen in Lagern gehalten. Ungarns Präsident Viktor Orbán rät gar davon ab, dass Christen mit Muslimen zusammenleben. In seinem Land wolle er keine Muslime, was der Religionsfreiheit widerspreche. Dies sei eine schwere Provokation und kein Akt von Nächstenliebe und Frieden, so ein Komiteesprecher.
Waffenexport
Aktuelle Entwicklungen reichen aber nach gängiger Rechtsauffassung keinesfalls alleine für eine Aberkennung aus, da der Zeitpunkt der Vergabe des Nobelpreises entscheidend ist. Aber das Nobelpreiskomitee verweist darauf, dass der Waffenexport der EU in krassem Widerspruch zum Frieden stehe. So sei Deutschland der drittgrößte Waffenexporteur der Welt, Frankreich der viertgrößte und Großbritannien der fünftgrößte.
Wer jetzt glaubt, die Waffen würden nur in Staaten geliefert, die Waffen nur zu Präsentationszwecken kauften, der glaubt auch an den Mökkurkalfi (Figur der nordischen Mythologie, die Redaktion), so das Nobelpreiskomitee. So habe Deutschland etwa von 2001 bis 2014 für 2,6 Milliarden Euro Rüstungsgüter an das diktatorische Regime in Saudi-Arabien geliefert. Damit gelangten Panzer, Kriegsschiffe, Munition und Waffen auch in Krisengebiete sowie in Staaten, die Menschenrechte verletzen. Diese Waffen würden auch eingesetzt werden, und das keinesfalls nur zur Verteidigung. Ein Friedensnobelpreisträger, der Kriegsgeräte produziere, das sei grotesk und erschreckend. Warum bei der Verleihung des Nobelpreises dies nicht ausreichend berücksichtigt worden sei, werde nun näher untersucht, so ein Sprecher.