Bislang haben Medikamente meist kryptische, komplizierte Namen, die man kaum aussprechen kann und die sich noch schlechter einprägen lassen. Man denke nur an Namen wie Hetirifonenumium oder Diclophentosteras. Der Grund dafür ist, dass peppige und witzige Namen sowie Namen mit Versprechungen kaum eine Chance auf Zulassung haben und daher in aller Regel von der EU-Arzneimittelbehörde EMA abgelehnt werden.
Gründe für eine umfassende Liberalisierung
Die EU macht nun den Weg frei für eine Liberalisierung. Die Begründung ist zunächst wenig überzeugend, der Medikamentenmarkt sei ohnehin schon kommerzialisiert wie kaum ein anderer Markt, da wäre mehr Freiheit bei der Namensgestaltung nur ein konsequenter Schritt, heißt es. Eine bessere Einprägsamkeit und weniger Konfusionen für die Apotheker sind dagegen einleuchtend. Im Idealfall sollen von der Änderung Kunden, Apotheker und Pharmahersteller profitieren. Kritiker befürchten aber, dass trendige, hippe Namen das Interesse von Patienten wecken könnten, die gar keine Medikamente benötigen oder die bereits mit Medikamenten optimal versorgt seien. Ein Sprecher des europäischen Pharmaverbandes kann hier jedoch kein Problem erkennen. Mediziner weisen aber zudem darauf hin, dass bislang der Wirkstoff im Namen verarbeitet sei. Wenn man von dieser Systematik abkehrte und verwechselbare Trivialnamen einführte, wäre für Experten kaum noch erkennbar, wie Substanz und Wirkung eines Medikaments beschaffen seien. Doch auch dieser Einwand fand kein Gehör.
Es gilt als sicher, dass es demnächst Medikamente und Hilfsmittel mit Namen wie diesen geben wird:
- Abführmittel „Rohr frei!“
- Antidepressivum „Lucky“
- Anti-Falten-Creme „Elefantenhaut-Ex“
- Beinprothese „Raucherbein“
- Brandsalbe „Heißer Scheiß“
- Haarwuchsmittel „Rapunzel“
- Halstabletten „Hitzgi“
- Herzmedikament „Herzkasperl“
- Hörgerät „Glöckner von Notre-Dame“
- Hustensaft „Heroin Light“ (selbstironischer Name, wer es nicht weiß: Heroin war ursprünglich ein Hustensaft)
- Mittel gegen multiple Persönlichkeitsstörung: „Alter Ego-Ex“, „Zweitaccount-Ex“
- Neuroleptika (gegen Schizophrenie): „Mehrkanalton-Ex“, „Mono“
- Potenzmittel „Stand Up“, „Super-Pop“, „Casanova“, „Kleiner Tod“
- Raucherentwöhnung „Helmut“
- Rheumamittel „Brennnesselwurf“
- Schlafmittel „Stille Nacht“, „Ruhe Sanft“, „Ewiger Schlaf“
- Schmerzmittel „Migräne-Ex“
- Verhütungsmittel „Gang Bang“, „Flotter Dreier“, „Pillenknick“
Eine ganze Reihe an diesen Namen befinden sich bereits in der Genehmigungsphase.
Werbeverbot für verschreibungspflichtige Medikamente fällt
Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe will bei dieser Gelegenheit auch das Werbeverbot für verschreibungspflichtige Medikamente aufheben. Erstens könnten die neuen Namen nur dann umfassend Wirkung zeigen, wenn alle Namen, auch die von rezeptpflichtigen Medikamenten, in der Öffentlichkeit verbreitet würden und nicht nur beim Haus- oder Facharzt in einem stickigen Sprechzimmer, so Gröhe. „Zweitens wollen wir Tabakwerbung weiter erlauben. Es ist schon gröt…, ich meine natürlich grotesk, dass für erwiesenermaßen tödliche Produkte wie Zigaretten geworben werden darf, aber für Produkte, die der Gesundheit und der Genesung dienen, ein Werbeverbot besteht“, führt Gröhe aus.